Gehetzte Depression
"Aufteilung der endogenen Psychosen und ihre differenzierte Atiologie"
Karl Leonhard
Georg Thieme Verlag, 8. Auflage, 2003
p. 25-31
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Zusammenfassung
Die gehetzte Depression ist ausgezeichnet durch einen qualvoll-depressiven Zustand ängstlicher Färbung, der begleitet ist von einer ständigen Unruhe von Charakter ängstlicher Gehetztheit. Angstvorstellungen kommen meist hinzu, häufig auch Versündigungsideen und hypochondrische Befürchtungen. Im Beginn kann die Unruhe und die Ideenbildung noch wechseln, bei längerem Bestehen des Leidens wird beides einförmig. Das Klagen erfolgt dann oft fast stereotyp mit immer dem gleichen Inhalt. In jedem Fall zeigt die Unruhe eine große Nachhaltigkeit, die sich durch nichts überwinden läßt. Auch ablenken lasse sich die Kranken nicht von ihren Klagen, ja oft ist es nicht einmal möglich, auf indifferente Fragen Antwort zu erhalten. Durch ihre Unbeeinflußbarkeit können die gehetzten Depresionen fälschlicherweise den Eindruck des Eigensinns erwecken. Mit abklingender Angst geht das ängstliche Jammern häufig in ein Drängen über, das Querulatorisch wirkt, in dem aber ein ängslisch-gequälter Unterton erkennbar bleibt. Gehetzte Depression können rasch ablaufen, sie neigen aber deutlich zu protrahiertem Verlauf. Vor allem in leichterer Form, in der das Drängen über das Jammern überwiegt, ziehen sie sich gelegentlich über mehrere Jahre hin. Vermutlich zeigen die Kranken auch in ihrem Temperament, d.h. völlig außerhalb der Psychose, häufig Züge ängstlicher Unrast, doch reichen für sichere Feststellungen dieser Art meine Untersuchungen nicht aus. Auch über den Körperbau habe ich nicht genügend Erfahrungen gesammelt. Die pyknische Konstitution scheint häufig zu sein, man darf sich durch die Abmagerung, welche bei der ängstlichen Unruhe meist entsteht, nicht täuschen lassen.